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Die Bremer Universitätsausgründung „solvertec“ gewinnt den Embedded Award 2014




Je früher Fehler in der Chipentwicklung erkannt werden, desto besser. Sonst wird es teuer. Da Chips jedoch in atemberaubendem Tempo immer komplexer werden, wird das Aufspüren von Fehlerursachen im Chip-Entwurf immer aufwändiger. Der Grund: Es mangelt an Automatisierungslösungen. In diese Lücke stößt die junge Bremer solvertec (Solution Verification Technologies) GmbH. Sie hat ein Verfahren entwickelt, das Fehlerursachen beim Entwurf von komplexen Digitalchips in kürzester Zeit exakt lokalisieren kann – und aufzeigt, wie sie zu beheben sind. Für ihren weltweit einzigartigen Ansatz ist die Bremer Universitätsausgründung jüngst auf Deutschlands bedeutendsten Fachmesse, der Embedded World in Nürnberg, mit dem Embedded Award 2014 ausgezeichnet worden.

Egal ob Handy, Spielkonsole, Navigationssystem, Digitalkamera oder Ampelschaltung: überall sind Chips im Einsatz. Diese bestehen aus mehreren hundert Millionen Bauteilen, die heutzutage um die 40 Nanometer groß sind. Bis aber ein Chip produziert werden kann, müssen die Chip-Entwickler ran. Sie entwerfen die äußerst komplexen Chip-Schaltkreise am Computer, um per Simulation prüfen zu können, ob die geplante Schaltung fehlerfrei funktioniert. Denn wenn fehlerhafte Chips erst einmal Stück für Stück vom Band laufen, wird es für den Hersteller richtig teuer. „Je später ein Fehler entdeckt wird, desto kostspieliger wird es“, sagt Daniel Große, der im März 2013 zusammen mit Jan Wessels und André Sülflow die Bremer solvertec GmbH gegründet hat. „Intel hat eine Rückruf-Aktion mal 475 Millionen Dollar gekostet, weil Tabellenkalkulationsprogramme in bestimmten Fällen mit korrekten Formeln falsche Ergebnisse lieferten.“

Klar – je früher, desto besser. Das Problem dabei: Ungefähr alle 18 Monate verdoppelt sich die Anzahl der Komponenten in einem Chip, so lautet das Branchengesetz. Der Mensch stößt dabei an Grenzen, Programmierfehler werden immer häufiger.

Fehlersuche ist sehr aufwändig

Große weiß nach einem Jahrzehnt Erfahrung im Bereich Hardware-Verifikation und Debugging (Suche nach Entwurfsfehlern), wie er das Thema allgemeinverständlich beschreiben muss: „Stellen Sie sich einen Chip als Ampelschaltung an einer komplexen Kreuzung vor. Wenn alle Ampeln auf grün umschalten, weil zufällig im gleichen Augenblick zwei Fußgänger an verschiedenen Stellen drücken und ein Auto auf einer Nebenstraße die Sensorschleife überfährt, dann liegt offensichtlich ein unentdeckter Schaltungsfehler vor“, erläutert er. Die Folgen können bei versagenden Chips verheerend sein – teuer sind sie auf jeden Fall. Aber Große will auf etwas Anderes hinaus. „Wenn die Ampeln alle auf grün stehen, wissen Sie, dass ein Fehler vorliegt. Aber sie wissen dadurch noch lange nicht, wo genau in der Schaltung Sie die Ursache für diesen Fehler finden und wie er sich beheben lässt“, stellt er klar. „Schon heute wenden die Entwickler ein Drittel des Zeitaufwands eines neu zu entwickelnden Chips dafür aus, Fehlerursachen zu finden und zu beheben“, erläutert Große, der zusammen mit Jan Wessels die junge Firma führt.

In diese Marktlücke stößt die junge Bremer solvertec GmbH mit einer Automatisierungs-Software, die in der frühen Designphase auf der Register-Transfer-Ebene (RTL) von Digitalchips ansetzt: „Die in der Simulation eingesetzten Verifikationstools prüfen zunächst, ob der Schaltungsentwurf dem erwünschten Chip-Verhalten entspricht. Liegt ein Fehler vor, suchen die Entwickler beim sogenannten Debugging die Fehlerursachen bisher per Hand – daher der hohe Aufwand“, stellt Große klar. „Unser Werkzeug automatisiert die Suche, indem es die Daten aus den Verifikationstools einspeist, den Entscheidungsbaum der Schaltungslogik systematisch zurückverfolgt und die Ursachen des Fehlverhaltens aufspürt. Mit wenigen Klicks können so Fehlerursachen im Code aufgezeigt und behoben werden.“

Ideenschmiede Universität Bremen

Geboren wurde die Gründungsidee in der Universität Bremen, in der Große und Sülflow mit Unterstützung der beiden Professoren Rolf Drechsler und Görschwin Fey, die ebenfalls zum Gründerkreis des Start-ups gehören, die Grundlagen des Verfahrens erforscht haben. Drechsler ist ausgewiesener Experte für die Entwurfsmethodik von Hardware, Fey ist auf Embedded Systems im Bereich der Raumfahrt spezialisiert, in denen sich Fehler per se verbieten. „Wir haben während unserer Forschung gemerkt, dass unser Verfahren das Potenzial für eine Gründung hat“, berichtet Große. Um einen Businessplan auszuarbeiten und den Proof-of-Concept vorzubereiten, bewarben sie sich für das EXIST-Forschungstransfer Programm beim Bundeswirtschaftsministerium (BMWi).

In dieser Phase stieß Jan Wessels zum Team, der bei solvertec für Geschäftsplanung, Marketing und Finanzierung zuständig ist. Er hatte am benachbarten Lehrstuhl für Unternehmensgründung der Bremer Uni geforscht und ohnehin damit geliebäugelt, seine Erkenntnisse in unternehmerische Praxis umzusetzen. „Umzusetzen ist vielleicht ein fehlleitender Begriff - ich habe mich zuletzt intensiv mit Gründen für das Scheitern von Start-ups befasst“, schmunzelt er. Oft liege es an falsch zusammengesetzten Teams und daraus folgenden Spannungen, mit denen die Beteiligten nicht offen umgehen. Auch übermäßige Gründereuphorie verkläre häufig die Sicht auf die Dinge. „Wichtig ist sich trotz erster Erfolge und wohlgemeintem Schulterklopfen klar zu machen, dass schlussendlich der Markt über Wohl und Wehe einer Gründung entscheidet.“ Wer mit seinem Produkt nicht ohne Bauchschmerzen an den Markt ginge, laufe Gefahr sein Produkt am Bedarf vorbei zu entwickeln. Eine Erkenntnis, die die Gründer umgesetzt haben: „Das EXIST-Programm ermöglichte es uns, schon aus der Universität heraus mit der Produktentwicklung zu beginnen. Wir haben sehr früh in Pilotprojekten begonnen, externe Chipentwickler mit einzubeziehen, um unsere Software genau in die Richtung zu entwickeln, die der Markt benötigt.“

In Gründerwettbewerben ausgezeichnet

Mittlerweile hat das Team beide Phasen des EXIST-Programms durchlaufen. Für ihr Konzept wurden die Gründer von solvertec bereits bei den Gründerwettbewerben IKT Innovativ und Weconomy Award ausgezeichnet. Auch der Proof-of-Concept ist geschafft. Die automatisierte Lösung „Debug!t“ der Bremer reduziert die Zeit für das Debugging von bisher Tagen auf wenige Minuten, wie solvertec an einer prototypischen Beispiellösung für einen mittelständischen Industriepartner belegen konnte. Neben der Technik ist auch die Organisation des jungen Unternehmens weitergekommen. Früh stieß ein Business Angel zu den Gründern. Jüngst haben sie weitere Mittel in Form einer stillen Beteiligung der Bremer Aufbau-Bank und Fördermittel der Wirtschaftsförderung Bremen erhalten.

Der Markt für die Erfindung ist riesig. „In der Halbleiterbranche werden weltweit jährlich 300 Milliarden US-Dollar umgesetzt.“, sagt Wessels. Ein Stück von diesem Kuchen wird von Firmen umgesetzt, die Unterstützungssoftware für die Halbleiterunternehmen entwickeln. Das Herz der Branche schlägt im „Silicon Valley“ in Kalifornien. Weil die Bremer sich dieses Systems bewusst sind, haben sie frühzeitig Fäden in den USA gespannt. Gerade war ein erfahrener Unternehmer aus der EDA-Szene im Silicon Valley bei ihnen zu Gast – als Coach und als wichtiger Knoten ihres Netzwerks.

Mit dem Gewinn des Embedded Awards kann sich die junge Bremer Firma nun gewiss sein, die Aufmerksamkeit des Fachpublikums erregt zu haben: Mit dem Embedded Award werden auf der Fachmesse Embedded World jährlich herausragende technische Innovationen prämiert. In der Rubrik Tools konnte solvertec eine unabhängige Fachjury überzeigen, die besonders innovative Produkte oder Entwicklungen würdigt, die einzigartig und zukunftsorientiert sind.
28-02-2014
Pressemitteilung der Universität Bremen | Nr. 066 / 28. Februar 2014 SC

Kontakt: Prof. Dr. Rolf Drechsler


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